Berichte über Hernán Cortés
 
 
Heinrich Heine : Vitzliputzli
 
1
Auf dem Haupt trug er den Lorbeer,
Und an den Stiefeln glänzten
Goldne Sporen - dennoch war er
Nicht der Held und auch kein Ritter.
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Nur ein Räuberhauptmann war er,
der ins Buch des Ruhmes einschrieb,
Mit der eignen frechen Faust,
Seinen frechen Namen: Cortez.
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Unter des Kolumbus Namen
Schrieb er ihn, ja dicht darunter,
Und der Schulbub auf der Schulbank
Lern´ auswendig beide Namen -
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Nach dem Christoval Kolumbus,
Nennt er jetzt Fernando Cortez
Als den zweiten großen Mann
In dem Pantheon der Neuwelt.
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Heldenschicksals letzte Tücke:
Unser Name wird verkoppelt
Mit dem Namen eines Schächers
In der Menschen Angedenken.
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Wär´s nicht besser, ganz verhallen
Unbekannt, als mit sich schleppen
Durch die langen Ewigkeiten
Solche Namenskameradschaft?
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Messer Christoval Kolumbus
War ein Held, und sein Gemüte,
Das so lauter wie die Sonne,
War freigebig auch wie diese.
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Mancher hat schon viel gegeben,
Aber jener hat der Welt
Eine ganze Welt geschenkt,
Und sie heißt Amerika.
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Nicht befreien konnt er uns
Aus dem öden Erdenkerker,
Doch er wußt ihn zu erweitern
Und die Ketten zu verlängern.
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Dankbar huldigt ihm die Menschheit,
Die nicht bloß europamüde,
Sondern Afrikas und Asiens
Endlich gleichfalls müde worden --
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Einer nur, ein einz´ger Held,
Gab uns mehr und gab uns Beßres
Als Kolumbus, das ist jener,
Der uns einen Gott gegeben.
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Sein Vater, der hieß Amram,
Seine Mutter hieß Jochebeth,
Und er selber, Moses hieß er,
Und er ist mein bester Heros.
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Doch, mein Pegasus, du weilest
Viel zu lang bei dem Kolumbus -
Wisse, unser heut´ger Flugritt
Gilt dem g´ringern Mann, dem Cortez.
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Breite aus den bunten Fittich,
Flügelroß! und trage mich
Nach der Neuwelt schönem Lande,
Welche Mexiko geheißen.
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Trage mich nach jener Burg,
Die der König Montezuma
Gastlich seinen span´schen Gästen
Angewiesen zur Behausung.
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Doch nicht Obdach bloß und Atzung,
In verschwenderischer Fülle,
Gab der Fürst den fremden Strolchen
Auch Geschenke reich und prächtig,
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Kostbarkeiten klug gedrechselt,
Von massivem Gold, Juwelen,
Zeugten glänzend von der Huld
Und der Großmut des Monarchen.
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Dieser unzivilisierte,
Abergläubisch blinde Heide
Glaubte noch an Treu und Ehre
Und an Heiligkeit des Gastrechts.
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Er willfahrte dem Gesuche,
Beizuwohnen einem Feste,
Das in ihrer Burg die Spanier
Ihm zu Ehren geben wollten -
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Und mit seinem Hofgesinde,
Arglos, huldreich, kam der König
In das spanische Quartier,
Wo Fanfaren ihn begrüßten.
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Wie das Festspiel war betitelt,
Weiß ich nicht. Es hieß vielleicht:
"Span´sche Treue!" doch der Autor
Nannte sich Don Fernando Cortez.
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Dieser gab das Stichwort - plötzlich
Ward der König überfallen,
Und man band ihn und behielt ihn
In der Burg als eine Geisel.
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Aber Montezuma starb,
Und da war der Damm gebrochen,
Der die kecken Abenteurer
Schützte vor dem Zorn des Volkes.
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Schrecklich jetzt begann die Brandung -
Wie ein wild empörtes Meer
Tosten, rasten immer näher
Die erzürnten Menschenwellen.
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Tapfer schlugen zwar die Spanier
Jeden Sturm zurück. Doch täglich
Ward berennt die Burg aufs neue,
Und ermüdend war das Kampfspiel.
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Nach dem Tod des Königs stockte
Auch der Lebensmittel Zufuhr;
Kürzer wurden die Rationen,
Die Gesichter wurden länger.
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Und mit langen Angesichtern
Sahn sich an Hispaniens Söhne,
Und sie seufzten und sie dachten
An die traute Christenheimat,
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An das teure Vaterland,
Wo die frommen Glocken läuten
Und am Herde friedlich brodelt
Eine Ollea-Potrida,
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Dick verschmoret mit Garbanzos,
Unter welchen, schalkhaft duftend,
Auch wohl kichernd, sich verbergen
Die geliebten Knoblauchwürstchen.
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Einen Kriegsrat hielt der Feldherr,
Und der Rückzug ward beschlossen;
In der nächsten Tagesfrühe
Soll das Heer die Stadt verlassen.
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Leicht gelang´s hineinzukommen
Einst durch List dem klugen Cortez,
Doch die Rückkehr nach dem Festland
Bot fatale Schwierigkeiten.
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Mexiko, die Inselstadt,
Liegt in einem großen See,
In der Mitte, flutumrauscht:
Eine stolze Wasserfestung,
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Mit dem Uferland verkehrend
Nur durch Schiffe, Flöße, Brücken,
Die auf Riesenpfählen ruhn;
Kleine Inseln bilden Furten.
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Noch bevor die Sonne aufging,
Setzten sich in Marsch die Spanier;
Keine Trommel ward gerühret,
Kein Trompeter blies Reveille.
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Wollten ihre Wirte nicht
aus dem süßen Schlafe wecken -
(Hunderttausend Indianer
Lagerten in Mexiko).
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Doch der Spanier machten diesmal
Ohne seinen Wirt die Rechnung;
Noch frühzeit´ger aufgestanden
Waren heut die Mexikaner.
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Auf den Brücken, auf den Flößen,
Auf den Furten harrten sie,
Um den Abschiedstrunk alldorten
Ihren Gästen zu kredenzen.
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Auf den Brücken, Flößen, Furten, -
Hei! da gab´s ein toll Gelage!
Rot in Strömen floß das Blut,
Und die kecken Zecher rangen -
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Rangen Leib an Leib gepreßt,
Und wir sehn auf mancher nackten
Indianerbrust den Abdruck
Span´scher Rüstungsarabesken.
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Ein Erdrosseln war´s, ein Würgen,
Ein Gemetzel, das sich langsam,
Schaurig langsam, weiterwälzte,
Über Brücken, Flöße, Furten.
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Die Indianer sangen, brüllten,
Doch die Spanier fochten schweigend;
Mußten Schritt für Schritt erobern
Einen Boden für die Flucht.
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In gedrängten Engpaßkämpfen
Boten g´ringen Vorteil heute
Alteuropas strenge Kriegskunst,
Feuerschlünde, Harnisch, Pferde.
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Viele Spanier waren gleichfalls
Schwer bepackt mit jenem Golde,
Das sie jüngst erpreßt, erbeutet -
Ach, die gelbe Sündenlast
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Lähmte, hemmte sie im Kampfe,
Und das teuflische Metall
Ward nicht bloß der armen Seele,
Sondern auch dem Leib verderblich.
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Mittlerweile ward der See
Ganz bedeckt von Kähnen, Barken;
Schützen saßen drin und schossen
Nach den Brücken, Flößen, Furten.
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Trafen freilich im Getümmel
Viele ihrer eignen Brüder,
Doch sie trafen auch gar manchen
Hochvortrefflichen Hidalgo.
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Auf der dritten Brücke fiel
Junker Gaston, der an jenem
Tag die Fahne trug, worauf
Konterfeit die heil´ge Jungfrau.
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Dieses Bildnis selber trafen
Die Geschosse der Indianer;
Sechs Geschosse blieben stecken
Just im Herzen - blanke Pfeile,
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Ähnlich jenen güldnen Schwertern,
Die der Mater dolorosa
Schmerzensreiche Brust durchbohren
Bei Karfreitagsprozessionen.
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Sterbend übergab Don Gaston
Seine Fahne dem Gonzalvo,
Der zu Tod getroffen gleichfalls
Bald dahinsank. - Jetzt ergriff
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Cortez selbst das teure Banner;
Er, der Feldherr, und er trug es
Hoch zu Roß bis gegen Abend,
Wo die Schlacht ein Ende nahm.
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Hundertsechsig Spanier fanden
Ihren Tod an jenem Tage;
Über achtzig fielen lebend
In die Hände der Indianer.
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Schwer verwundet wurden viele,
Die erst später unterlagen.
Schier ein Dutzend Pferde wurde
Teils getötet, teils erbeutet.
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Gegen Abend erst erreichten
Cortez und sein Heer das sichre
Uferland, ein Seegestade,
Karg bepflanzt mit Trauerweiden.
 
2
Nach des Kampfes Schreckenstag
Kommt die Spuknacht des Triumphes;
Hunderttausend Freudenlampen
Lodern auf in Mexiko.
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Hunderttausend Freudenlampen,
Waldharzfackeln, Pechkranzfeuer
Werfen grell ihr Tageslicht
Auf Paläste, Götterhallen,
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Gildenhäuser und zumal
Auf den Tempel Vitzliputzlis,
Götzenburg von rotem Backstein,
Seltsam mahnend an ägyptisch,
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Babylonisch und assyrisch
Kolossalen Bauwerk-Monstren,
Die wir schauen auf den Bildern
Unsers Briten Henri Martin.
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Ja, das sind dieselben breiten
Rampentreppen, also breit,
Daß dort auf und nieder wallen
Viele tausend Mexikaner,
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Während auf den Stufen lagern
Rottenweils die wilden Krieger,
Welche lustig bankettieren,
Hochberauscht von Sieg und Palmwein.
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Diese Rampentreppen leiten,
Wie ein Zickzack, nach der Plattform,
Einem balustradenart´gen
Ungeheuern Tempeldach.
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Dort auf seinem Thronaltar
Sitzt der große Vitzliputzli,
Mexikos blutdürst´ger Kriegsgott.
Ist ein böses Ungetüm,
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Doch sein Äußres ist so putzig,
So verschnörkelt und so kindisch,
Daß er trotz des innern Grausens
Dennoch unsre Lachlust kitzelt -
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Und bei seinem Anblick denken
Wir zu gleicher Zeit etwa
An den blassen Tod von Basel
Und an Brüssels Manke-Piß.
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An des Gottes Seite stehen
Rechts die Laien, links die Pfaffen;
Im Ornat von bunten Federn
Spreizt sich heut die Klerisei.
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Auf des Altars Marmorstufen
Hockt ein hundertjährig Männlein,
Ohne Haar an Kinn und Schädel;
Trägt ein scharlach Karmisölchen.
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Dieses ist der Opferpriester,
Und er wetzt seine Messer,
Wetzt sie lächelnd, und er schielet
Manchmal auf den Gott hinauf.
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Vitzliputzli scheint den Blick
Seines Dieners zu verstehen,
Zwinkert mit den Augenwimpern
Und bewegt sogar die Lippen.
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Auf des Altars Stufen kauern
Auch die Tempelmusici,
Paukenschläger, Kuhhornbläser -
Ein Gerassel und Getute -
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Ein Gerassel und Getute,
Und es stimmet ein des Chores
Mexikanisches Tedeum -
Ein Miaulen wie von Katzen -
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Ein Miaulen wie von Katzen,
Doch von jener großen Sorte,
Welche Tigerkatzen heißen
Und statt Mäuse Menschen fressen!
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Wenn der Nachtwind diese Töne
Hinwirft nach dem Seegestade,
Wird den Spaniern, die dort lagern,
Katzenjämmerlich zumute.
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Traurig unter Trauerweiden,
Stehen diese dort noch immer,
Und sie starren nach der Stadt,
Die im dunklen Seegewässer
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Widerspiegelt, schier verhöhnend,
Alle Flammen ihrer Freude -
Stehen dort wie im Parterre
Eines großen Schauspielhauses,
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Und des Vitzliputzli-Tempels
Helle Plattform ist die Bühne,
Wo zur Siegesfeier jetzt
Ein Mysterium tragiert wird.
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"Menschenopfer" heißt das Stück.
Uralt ist der Stoff, die Fabel;
In der christlichen Behandlung
Ist das Schauspiel nicht so gräßlich.
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Denn dem Blute wurde Rotwein,
Und dem Leichnam, welcher vorkam,
Wurde eine harmlos dünne
Mehlbreispeis transsubstituieret -
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Diesmal aber, bei den Wilden,
War der Spaß sehr roh und ernsthaft
Aufgefaßt: man speiste Fleisch,
Und das Blut war Menschenblut.
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Diesmal war es gar das Vollblut
Von Altchristen, das sich nie,
Nie vermischt hat mit dem Blute
Der Moresken und der Juden.
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Freu dich, Vitzliputzli, freu dich,
Heute gibt es Spanierblut,
Und am warmen Dufte wirst du
Gierig laben deine Nase.
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Heute werden dir geschlachtet
Achtzig Spanier, stolze Braten
Für die Tafel deiner Priester,
Die sich an dem Fleisch erquicken.
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Denn der Priester ist ein Mensch,
Und der Mensch, der arme Fresser,
Kann nicht bloß vom Riechen leben
Und vom Dufte, wie die Götter.
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Horch! die Todespauke dröhnt schon
Und es kreischt das böse Kuhhorn!
Sie verkünden, daß heraufsteigt
Jetzt der Zug der Sterbemänner.
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Achtzig Spanier, schmählich nackend,
Ihre Hände auf dem Rücken
festgebunden, schleppt und schleift man
Hoch hinauf die Tempeltreppe.
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Vor dem Vitzliputzli-Bilde
Zwingt man sie das Knie zu beugen
Und zu tanzen Possentänze,
Und man zwingt sie durch Torturen,
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Die so grausam und entsetzlich,
Daß der Angstschrei der Gequälten
Überheulet das gesamte
Kannibalen-Chirivari. -
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Armes Publikum am See!
Cortez und die Kriegsgefährten
Sie vernahmen und erkannten
Ihrer Freunde Angstrufstimmen -
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Auf der Bühne, grellbeleuchtet,
Sahen sie auch ganz genau
Die Gestalten und die Mienen -
Sahn das Messer, sahn das Blut -
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Und sie nahmen ab die Helme
Von den Häuptern, knieten nieder,
Stimmten an den Psalmen der Toten,
Und sie sangen: De profundis!
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Unter jenen, welche starben,
War auch Raimond de Mendoza,
Sohn der schönen Abbatissin,
Cortez´ erste Jugendliebe.
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Als er auf der Brust des Jünglings
Jenes Medaillon gewahrte,
Das der Mutter Bildnis einschloß,
Weinte Cortez helle Tränen -
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Doch er wischt´ sie ab vom Auge
Mit dem harten Büffelhandschuh,
Seufzt tief und sang im Chore
Mit den andern: miserere!
 
3
Blasser schimmern schon die Sterne,
Und die Morgennebel steigen
Aus der Seeflut, wie Gespenster,
Mit hinschleppend weißen Laken.
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Fest´ und Lichter sind erloschen
Auf dem Dach des Götzentempels,
Wo am blutgetränkten Estrich
Schnarchend liegen Pfaff´ und Laie.
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Nur die rote Jacke wacht.
Bei dem Schein der letzten Lampe,
Süßlich grinsend, grimmig schäkernd,
Spricht der Priester zu dem Gotte:
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"Vitzliputzli, Putzlivitzli,
Liebstes Göttchen Vitzliputzli!
Hast dich heute amüsieret,
Hast gerochen Wohlgerüche!
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Heute gab es Spanierblut -
Oh, das dampfte so appetitlich,
Und dein feines Leckernäschen
Sog den Duft ein, wollustglänzend.
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Morgen opfern wir die Pferde,
Wiehernd edle Ungetüme,
Die des Windes Geister zeugten,
Buhlschaft treibend mit der Sehkuh.
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Willst du artig sein, so schlacht ich
Dir auch meine beiden Enkel,
Hübsche Bübchen, süßes Blut,
Meines Alters einz´ge Freude.
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Aber artig mußt du sein,
Mußt uns neue Siege schenken -
Laß uns siegen, liebes Göttchen,
Putzlivitzli, Vitzliputzli!
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O verderbe unsre Feinde,
Diese Fremden, die aus fernen
Und noch unentdeckten Ländern
Zu uns kamen übers Weltmeer -
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Warum ließen sie die Heimat?
Trieb sie Hunger oder Blutschuld?
Bleib im Land und nähr dich redlich,
Ist ein sinnig altes Sprüchwort.
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Was ist ihr Begehr? Sie stecken
Unser Gold in ihre Taschen,
Und sie wollen, daß wir droben
Einst im Himmel glücklich werden!
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Anfangs glaubten wir, sie wären
Wesen von der höchsten Gattung,
Sonnensöhne, die unsterblich
Und bewehret mit Blitz und Donner.
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Aber Menschen sind sie, tötbar
Wie wir andre, und mein Messer
Hat erprobet heute nacht
Ihre Menschensterblichkeit.
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Menschen sind sie und nicht schöner
Als wir andre, manche drunter
Sind so häßlich wie die Affen;
Wie bei diesen sind behaart
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Die Gesichter, und es heißt,
Manche trügen in den Hosen
Auch verborgen Affenschwänze -
Wer kein Aff, braucht keine Hosen.
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Auch moralisch häßlich sind sie,
Wissen nichts von Pietät,
Und es heißt, daß sie sogar
Ihre eignen Götter fräßen!
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O vertilge diese ruchlos
Böse Brut, die Götterfresser -
Vitzliputzli, Putzlivitzli,
Laß uns siegen, Vitzliputzli!" -
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Also sprach zum Gott der Priester,
Und des Gottes Antwort tönt
Seufzend, röchelnd, wie der Nachtwind,
Welcher koset mit dem Seeschilf:
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Rotjack, Rotjack, blut´ger Schlächter,
Hast geschlachtet viele Tausend,
Bohre jetzt das Opfermesser
In den eignen alten Leib.
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Aus dem aufgeschlitzten Leib
Schlüpft alsdann hervor die Seele;
Über Kiesel, über Wurzel
trippelt sie zum Laubfroschteiche.
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Dorten hocket meine Muhme
Rattenkön´gin - sie wird sagen:
"Guten Morgen, nackte Seele,
Wie ergeht es meinem Neffen?
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Vitzliputzelt er vergnügt
In dem honigsüßen Goldlicht?
Wedelt ihm das Glück die Fliegen
Und die Sorgen von der Stirne?
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Oder kratzt ihn Katzlagara,
Die verhaßte Unheilsgöttin
Mit den schwarzen Eisenpfoten,
Die in Otterngift getränket?"
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Nackte Seele, gib zur Antwort:
Vitzliputzli läßt dich grüßen,
Und er wünscht dir Pestilenz
In den Bauch, Vermaledeite!
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Denn du rietest ihm zum Kriege,
Und dein Rat, es war ein Abgrund -
In Erfüllung geht die böse,
Uralt böse Prophezeiung
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Von des Reiches Untergang
Durch die furchtbar bärt´gen Männer,
Die auf hölzernem Gevögel
Hergeflogen aus dem Osten.
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Auch ein altes Sprüchwort gibt es:
Weiberwille, Gotteswille -
Doppelt ist der Gotteswille,
Wenn das Weib die Mutter Gottes.
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Diese ist es, die mir zürnet,
Sie, die stolze Himmelsfürstin,
Eine Jungfrau sonder Makel,
Zauberkundig, wundertätig.
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Sie beschützt das Spaniervolk,
Und wir müssen untergehen,
Ich, der ärmste aller Götter,
Und mein armes Mexiko.
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Nach dem vollbrachten Auftrag, Rotjack,
Krieche deine nackte Seele
In ein Sandloch - Schlafe wohl!
Daß du nicht mein Unglück schauest!
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Dieser Tempel stürzt zusammen,
Und ich selber, ich versinke
In dem Qualm - nur Rauch und Trümmer -
Keiner wird mich wiedersehen.
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Doch ich sterbe nicht; wir Götter
Werden alt wie Papageien,
Und wir mausern nur und wechseln
Auch wie diese das Gefieder.
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Nach der Heimat meiner Feinde,
Die Europa ist geheißen,
Will ich flüchten, dort beginn ich
Eine neue Karriere.
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Ich verteufle mich, der Gott
Wird jetzund ein Gottseibeiuns;
Als der Feinde böse Feind,
Kann ich dort wirken, schaffen.
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Quälen will ich dort die Feinde,
Mit Phantomen sie erschrecken -
Vorgeschmack der Hölle, Schwefel
Sollen sie beständig riechen.
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Ihre Weisen, ihre Narren
Will ich ködern und verlocken;
Ihre Tugend will ich kitzeln,
Bis sie lacht wie eine Metze.
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Ja, der Teufel will ich werden,
Und als Kameraden grüß ich
Satanas und Belial,
Astaroth und Beelzebub.
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Dich zumal begrüß ich, Lilis,
Sündenmutter, glatte Schlange!
Lehr mich deine Grausamkeiten
Und die schöne Kunst der Lüge!
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Mein geliebtes Mexiko,
Nimmermehr kann ich es retten,
Aber rächen will ich furchtbar
Mein geliebtes Mexiko.