Motecuhzoma Xocoyotzín - die wenigen Fakten |
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dieser Artikel ist Teil der Berichte über Hernán Cortés Juli 2010
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Motecuhzoma Xocoyotzín |
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__________________________________________________________ Der Name Moctezuma (bzw. Motecuhzoma Moteczuma, Motezuma oder Montezuma) bedeutet "Zorniger Herr". Um ihn von seinem großen Vorgänger Moctezuma Ilhuicamina zu unterscheiden, gab man ihm den Namenszusatz "Xocoyotzín", was "der Jüngere" heißt. Er war der letzte große unabhängige Herrscher der Azteken, die sich selbst Mexica nannten. Moctezuma Xocoyotzín wurde ca. 1466 als achter Sohn des aztekischen Herrschers Axayacatl und Neffen des berühmten Nezahualcóyotl, des Fürsten von Texcoco, geboren. Den Thron bestieg er 1502 und folgte darin seinem Onkel Ahuizótl, dem achten Herrscher über die Lagunenstadt Tenochtitlán. Zu diesem Zeitpunkt war er 34 Jahre alt. Die Wahl eines neuen Huey Tlatoani, des "großen Sprechers", von Tenochtitlán (am Ort des heutigen Mexiko-Stadt) wurde mit den Fürsten der Tripelallianz abgestimmt, Nezahualpilli und Totoquihuatzin, den Oberhäuptern der Stadtstaaten Texcoco und Tacuba. Diese drei Nahua-Stadtstaaten hatten sich ungefähr 1428 zusammengetan, um gemeinsam in Zentralmexiko ein Tributimperium zu errichten. Obwohl nominell jeder der Partner autonom blieb und keine Unternehmung gemeinsam ausgeführt werden musste, agierten sie doch weitgehend als Einheit, so dass in der populären Forschungsliteratur noch heute oft der simplifizierende Begriff des „Aztekenreiches“ Verwendung findet. Tatsächlich jedoch fehlten die elementaren Elemente, die den Begriff des „Reiches“ oder des „Imperiums“ rechtfertigen würden: Es gab theoretisch keine Zentralgewalt, es gab keine einheitliche Sprache, keine einheitliche Religion, keine übergreifende Infrastruktur, Währung oder Schrift. Auch eine einigende Legitimationsidee – z.B. die einer zivilisatorischen Mission – fehlte völlig. Der Dreibund strebte lediglich danach, eine möglichst große Anzahl von Nachbarstaaten zu unterwerfen und von diesen Tribute zu einzutreiben. Tribute konnten in Grundnahrungsmitteln, Luxusgütern, Sklaven oder Kriegsausrüstung bestehen. Doch bisweilen schien auch einfach nur eine Demütigung intendiert gewesen zu sein, wenn die Unterworfenen Ihre Tribute in Form einer bestimmten Anzahl von Spinnen oder Skorpionen abzuliefern hatten. Die alte Vormacht Tacuba hatte zur Zeit Moctezumas II. bereits ihren alten Glanz eingebüßt und erhielt im Schnitt nur noch 1/5 der Tribute, während Texcoco und Tenochtitlán jeweils 2/5 erhielten. Doch Acolhuacán, wie das Gebiet Texcocos auch genannt wurde, befand sich Anfang des 16. Jahrhunderts im Zustand des Bürgerkrieges, den Moctezuma dazu nutzte, auch hier die faktische Oberhoheit Tenochtitláns durchzusetzen, so dass man praktisch sagen kann, dass bei Ankunft der Spanier 1518 der Herrscher Tenochtitláns der mächtigste Fürst innerhalb Mexikos war. Sein direktes Herrschaftsgebiet erstreckte sich zwar nur auf die Stadt selbst und einige Uferbereiche der Lagune von Mexiko, doch seine Macht reichte – mit einigen unabhängigen Inseln darin – vom Pazifik zum Golf von Mexiko und von der Gegend des heutigen Hidalgo bis nach Oaxaca hinein. Fest umrissene Grenzen sucht man hier nach außen vergebens. Dies liegt daran, dass es auch kein stehendes aztekisches Heer und entsprechende Grenzsicherungen gab. Das Heer wurde jeweils nur im Bedarfsfall ausgehoben und agierte gleichsam wie die Spinne im Netz. Kontrolliert wurde das Gebiet des Dreibundes lediglich durch die gefürchteten calpixque, die Trubuteintreiber. Die Stadt Tenochtitlán wies inmitten der Lagune eine strategisch hervorragende Lage auf. Durch drei breite Dammstraßen mit dem Festland verbunden, die an zahlreichen Stellen Fortifikationen und entfernbare Brückenteile enthielten, war sie leicht zu verteidigen. Zudem stellte sie die damals größte Stadt Amerikas dar – ohne Zweifel größer als jede Stadt des damaligen Europa. Ihr Sakralbezirk mit den prächtigen Palästen, den regelmäßig und in immer größeren Dimensionen überbauten Tempelpyramiden, den Schädelgerüsten und künstlichen Teichen manifestierte deutlich und für alle sichtbar den Machtanspruch der aztekischen Priester-Elite. Zentrales Movens der aggressiven Politik des Dreibundes war die Religion. Blutopfer waren Haupt- Bestandteil der aztekischen Kosmologie. Nur durch sie konnten die Götter ihren kosmischen Kampf fortführen, der den Lauf der Gestirne sicherte und die bedrohliche Natur (Fluten oder Vulkanausbrüche) in Schranken hielt. So wie ja große Pyramiden zumeist Ausdruck theokratischer Macht ihrer Erbauer sind, zelebrierten auch die Mexica – und dies im verstärkten Maße seit Moctezuma I. (1440-1469) – die regelmäßige Überhöhung ihrer gewaltigen Tempelpyramiden, [1] die dann jeweils mit Blutopfern geweiht wurden, denen nicht nur die eigene Bevölkerung beiwohnte, sondern auch verbündete Herrscher sowie auswärtige, die man zum Erscheinen zwingen konnte und die durch diese Machtdemonstration eingeschüchtert werden sollten. Diese unverschleierte Gewalt ließ das Tributimperium allerdings auch ein Gebilde auf tönernen Füßen sein. Eine Identifikation mit dem aztekischen Herrscher fehlte bei den Unterworfenen fast völlig.
Palast Moctzumas. Der Herrscher und seine Räte (Codex Mendoza, 1541-1542) Welche gesicherten Fakten kennt man von Moctezuma II.? - Hier ist die Quellenlage dünn, und es gibt nur wenige Biografien zu ihm. [2] Der aztekische Throninhaber musste nicht nur aus der Hauptlinie der königlichen Familien stammen, sondern sich auch in Krieg und Verwaltung bewährt haben. Vor seiner Erhebung hatte Moctezuma tatsächlich als Feldherr des aztekischen Heeres mit zahlreichen militärischen Erfolgen geglänzt. Allerdings scheint er eine stärkere Affinität zum Priesteramt als zu dem des Kriegers gehabt zu haben. Kraft seines Amtes war er schließlich einer der wichtigsten Priester Tenochtitláns und nahm diese Aufgaben sehr genau. Bei Hof führte er eine neue, strenge Etikette ein. Wenn jemand vor ihn trat, musste er in gedämpfter Stimme sprechen und durfte ihn nicht mehr direkt anblicken. Außerdem hatte er seine Kleidung mit einem ärmlichen Umhang zu bedecken, während Moctezuma die seine nur jeweils ein einziges Mal trug. Moctezuma besaß innerhalb der Stadt nicht nur zwei Paläste, sondern unter anderem sogar einen Zoo mit seltenen Tieren. Kein Tlatoani hatte zuvor solch eine Pracht entfaltet. Dies lag auch darin begründet, dass sich Moctezuma mehr als seine Vorgänger über die Tolteken definierte. Die Tolteken galten den Azteken als das Volk, das die höchste Kulturstufe in Zentralmexiko erreicht hatte. Ihre alte Hauptstadt Tula, nördlich von Tenochtitlán gelegen, markiert wohl kaum zufällig den Ort, an dem die Azteken, die ihre identitätskonkrete Entwicklung anhand einer Wandersage tradierten, mythisches Terrain verließen und geografisch-historisch fassbares betraten. Die Herrscher Tenochtitláns waren von Beginn an bemüht, in die alte Königsfamilie der Toltken einzuheiraten, so dass Moctezuma schließlich streng genommen von Geblüt her eher ein Tolteke als ein Mexica war. Um diese seine besondere Würde zu unterstreichen, begab er sich regelmäßig zu den Ruinen Tulas, um dort zu meditieren. Vielleicht schon 1512,[3] spätestens jedoch 1518 wurde Moctezuma von der Golfküste die Ankunft weißer Männer an Bord großer Schiffe gemeldet. Was Moctezuma über die Fremden dachte, ist heute nicht mehr rekonstruierbar. Die nach der Conquista verfassten Quellen lassen vermuten, dass Moctezuma, wenn überhaupt, nur wenige Informationen über die Vorgänge im Darién und in der Karibik hatte. Allenfalls mögen Anzeichen wie das von Fray Toribio „Motoninía“ de Benavente erwähnte seine Aufmerksamkeit erregt haben: „Während dieser Zeit [um 1512] brachten sie Moteczumatzin eine Kiste mit spanischen Kleidern, die von irgendeinem Schiff gewesen sein musste, das im Mar del Norte [bei einem Unwetter so stark] krängte [, dass es Ladung verlor], in der sie ein Schwert, gewisse Fingerringe, andere Schmucksachen und Kleidungsstücke fanden. Und Moteczuma gab einige Schmuckgegenstände an die Fürsten von Tezcuco und Tlacuba. Und damit sie sich nicht beunruhigten, sagte er ihnen, dass seine Vorfahren sie geheim gehalten und gut gehütet hätten und dass sie sie in großer Achtung hielten."[4] Es wäre interessant zu wissen, wer diese dubiose Kiste verlor (oder schickte?), oder ob all dies Motolinías Phantasie entsprungen ist. Es haben sich keine indianischen Quellen erhalten, die über diese Fragen Auskunft geben könnten. Mit Vorsicht zu genießen sind andererseits viele der Moctezuma oft unterstellten Interpretationsschemata, mit denen er versucht haben soll, das Phänomen ´Kastilier´ zu deuten. Der Conquistador Bernal Díaz del Castillo schreibt, die Spanier seien von den Mexica als teules angesehen worden,[5] worunter er in etwa ´Halbgötter´ zu verstehen scheint. Wenn mit den ´Götter-´Legenden um Quetzalcóatl argumentiert wird, wird folgendes meist nicht hinreichend beachtet: Spricht man von Quetzalcóatl, so muss man von dem Gott den sagenhaften toltekischen Priesterfürsten Quetzalcóatl Topiltzín, der sich nach dem Gott benannte, unterscheiden. Nur letzterer hätte die Legitimation der Herrschaft Moctezumas II. in Frage stellen können, doch es bestand kein Zweifel daran, dass er sterblich und tot war.[6] Der Gott wiederum hatte eigentlich nichts mit Tollan zu tun, und es gibt überhaupt keinen Grund für die Annahme, dass sich Moctezuma vor ihm besonders gefürchtet haben sollte. Tetzcatlipoca wäre der Gott der Urgewalten gewesen, der, der Macht gab und zerstörte. Am 8. November schließlich erreichten die Conquistadoren und ihre Verbündeten die Lagune und den Damm, der von Iztapalapa nach Tenochtitlán führte. An einem Ort entlang dieser Dammstraße innerhalb des heutigen Mexiko-Stadt (möglicherweise beim heutigen, von Cortés gegründeten Hospital de Jesús) fand das denkwürdige Zusammentreffen zwischen Moctezuma und Cortés statt. In den folgenden Tagen statteten sich Moctezuma und Cortés gegenseitig mehrere Besuche ab. Während einer solchen Audienz beim Tlatoani nahm Cortés ihn schließlich kurzerhand gefangen. Dass sich Moctezuma hier überrumpeln und gefangen nehmen ließ, war sein entscheidender Fehler. Offenbar hatte er sich inmitten seiner Hauptstadt sicher gefühlt. Er war wohl davon ausgegangen, dass auch den Spaniern klar war, dass sie in ihrem Quartier inmitten einer Großstadt, die nur über drei Dammstraßen mit dem Festland verbunden war, bei einer Konfrontation wie die Maus in der Falle saßen. Genau dies jedoch war es vermutlich, was Cortés zur Gefangennahme Moctezumas bewog. Was Moctezuma nicht bedacht hatte, war, dass Cortés womöglich gar keinen konkreten Plan gehabt hatte, als er nach Tenochtitlán kam. Er war ein unberechenbarer Desperado. Und tatsächlich zeigte sich bald, in welch prekärer Lage sich die Spanier befanden. Je mehr sie mit Moctezuma als Marionettenherrscher zu regieren versuchten, desto mehr schwanden dessen Autorität und Einfluss. Die Lage wurde schnell unhaltbar. Dass es in der sogenannten Noche Triste, der Nacht vom 30.06. auf den 01.07.1520 überhaupt noch ein Drittel der Spanier lebend auf das Festland schaffte, war nur dem Umstand geschuldet, dass sie kurz zuvor eine 150%ige Verstärkung erhalten hatten. In Bezug auf Moctezuma stellten sich jedoch vor dem Ausbruchsversuch zwei Fragen: Würde man seine Befreiung während des zu erwartenden Durcheinanders überhaupt verhindern können? Und andererseits: Was würde er den Spaniern nach gelungenem Ausbruch noch nützen? Die kaltblütige Folgerung von Cortés und seinen Hauptleuten wird vielleicht gewesen sein, ihn zusammen mit anderen gefangenen Würdenträgern ermorden zu lassen. Wie auch immer er genau zu Tode kam: Als sein Sterbedatum gelten der 27. oder 28. Juni 1520. Schon zuvor war in Tenochtitlán ein neuer Tlatoani gewählt worden: Cuitláhuac, ein jüngerer Bruder Moctezumas. Wäre es diesem nun gelungen, die Spanier endgültig aus Tenochtitlán zu vertreiben, hätte dies die Rezeption Moctezumas nachhaltig beeinflusst. Doch gerade der bewaffnete Widerstand, den Moctezuma vermieden hatte, sollte den aztekischen Dreibund politisch sprengen und Tenochtitlán die vollständige Vernichtung bringen. Im Mai 1521 waren die Spanier mit einem großen indianischen Heer zurückgekehrt und begannen die 90-tägige Belagerung Tenochtitláns zu Wasser und zu Lande, in deren Verlauf nicht nur Tenochtitlán, sondern auch ihre Schwesterstadt Tlatelolco nahezu vollständig zerstört wurden. Im August 1521 nahmen die Spanier den letzten unabhängigen Aztekenherrscher Cuauhtémoc gefangen. Die spanische Eroberung Mexikos markiert nicht nur die Schnittmenge zweier Epochen – Mittelalter und Neuzeit – , sondern bietet zudem das Beispiel für den bis dahin vielleicht jähesten Zusammenprall fremder Kulturwelten. Im Mittelalter wurde die Welt noch als Einheit gesehen. Doch spätestens als die Spanier an der Halbinsel Yucatan Mayaruinen entdeckten und die aztekische „Hochkultur“ auffanden, die keine der bekannten Sprachen beherrschte, schien klar, dass die Alte Welt keinen universalen Anspruch mehr erheben konnte, dass sich eine Neue Welt hinzugesellt hatte, die die Alte allein durch ihre Existenz relativierte und dadurch bedrohlich wirkte. Dies warf bekanntlich eine Vielzahl beunruhigender Fragen auf: Warum stand von dieser Neuen Welt nichts in der Bibel? War die Bibel etwa nicht unfehlbar? Gab es jenseits des Atlantiks etwas zu verschweigen, eine satanische Gegenwelt möglicherweise? Stammten die Bewohner dieser Länder überhaupt von Adam und Eva ab? usw. – Die Entdeckung Tenochtitláns war für Europäer also einigermaßen unheimlich, was die frühe und weichenstellende Rezeptionsgeschichte Moctezumas nachhaltig prägte.
Vgl.
Motecuhzoma Xocoyotzín
- die schillernde Rezeption Anmerkungen [1] Der Sakralbereich Tenochtitláns maß 500 m2 u. wies ca. 80 Gebäude auf. [2] Einschlägig: Burland, Cottie A.: Montezuma. Herrscher der Azteken 1467-1520. Freiburg 21974; Vázquez, Germán: Moctezuma (Protagonistas de América, historia 16). Madrid 1987; Martínez Rodríguez, José Luis: Motecuhzoma y Cuauhtémoc, los últimos emperadores aztecas (Biblioteca Iberoamericana) Madrid 1988, McEwan, Colin: Moctezuma (Katalog zur Ausstellung im BM). London 2009; Llonch, Elisenda Vila: Moctezuma and the Aztecs. London 2009. [3] Burland, Cottie A.: Montezuma. Herrscher der Azteken. Würzburg 21974, 159 vermutet, dass Pinzón und Solis nicht süd-, sondern vielmehr nordwärts segelten und die ersten Spanier waren, die die mexikanische Golfküste erreichten. [4] Benavente, Toribio de: Memoriales e Historia de los Indios de la Nueva España desde la formación del lenguaje hasta nuestros días, hrsg. von Fidel de Lejarza, part. I, cap. LV (2), Madrid 1970, 83. In der Historia de los indios fehlt das entsprechende Kapitel, was wiederum nicht viel besagt, da auch die Historia als Fragment zu betrachten ist. [5] Vgl. Díaz del Castillo, Bernal: Historia verdadera de la conquista de la Nueva España, hrsg. von Carmelo Saenz de Santa María, cap. XLVIII, Madrid 1982, 92. [6] Vgl. Die Geschichte der Königreiche von Colhuacan und Mexico, Text mit Übers setzung von Walter Lehmann, hrsg. von Gerdt Kutscher, (Quellenwerke zur Alten Geschichte Amerikas aufgezeichnet in den Sprachen der Eingeborenen I) § 54-157, Stuttgart 21974, 70-93. |
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